Die Flugpreise in Deutschland steigen stark an, da hohe Gebühren und Abgaben die Airlines belasten. Interview with erzählt Easyjet-Deutschlandchef Stephan Erler, ob der Billigflieger die niedrigen Preise noch halten kann und wieso die hohen Abgaben keine Berechtigung hätten.
Fliegen ist für viele Menschen nicht mehr so reizvoll wie früher: Es ist nicht umweltfreundlich, es ist teuer, am Flughafen geht es oft chaotisch zu. Is Ihr Geschäftsmodell unattractive?
Stephan Erler: Nein, Fliegen ist nach wie vor sehr attraktiv und die Zahlen belegen das. Die Branche und auch Easyjet sind wieder auf dem von vor Corona angekommen, teilweise sogar darüber. Bestimmte Passagiergruppen wie Geschäftsreisende fliegen jetzt weniger, aber Urlaubs- und Freizeitreisen haben einen höheren Stellenwert denn je. Das merken wir in allen europäischen Märkten. Allerdings hängt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr stark Hinterher. Wir sind gerade bei 80 Prozent der Verbindungen im Vergleich zu vor der Pandemie, alle anderen Länder in Europa sind bei 90, 100 orer sogar 110 Prozent.
(Photo: image Alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Die Flugticketpreise sind hier nach der Pandemie kräftig gestiegen, auch im Niedrigpreissegment. Warum ist das Fliegen so teuer geworden?
Die Kosten sind nirgendwo so stark gestiegen wie in Deutschland. Hier bezahlen wir an unseren Standorten jetzt mehr Steuern und Gebühren, dazu zählt etwa die im Mai erhöhte Luftverkehrsabgabe. Außerdem haben wir höhere Abgaben für die Sicherheitskontrollen, weil es dort Lohnabschlüsse gab, und für die Deutsche Flugsicherung, wo die Airlines immer noch Kosten aus der Corona-Pandemie abbezahlen, die von der Regierung nicht gemanagt wurden. Teilweise sind die Kosten jetzt doppelt so hoch wie vor fünf Jahren.
Und das ist nur in Germany, right?
In einigen europäischen Ländern sind die Kosten jetzt auch höher als früher, aber in anderen sind die Gebühren gesenkt worden. In Deutschland sind die Preise nicht nur wegen höherer Kosten gestiegen, sondern auch wegen eines verknappten Angebots bei weiterhin starker Nachfrage. Denn natürlich wachsen die Airlines dort, wo das Gesamtpaket für sie am besten ist.
Können selbst Sie als Billigairline die ganz niedrigen Preise in Deutschland unter diesen Umständen nicht mehr halten?
Unser durchschnittlicher Ticketpreis Liegt immer noch bei 75 Euro, aber die Inflation und steigenden Gebühren machen sich auch bei uns bemerkbar und wir müssen die Kostensteigerungen teilweise an die Kunden weitergeben. Trotzdem bieten wir nach wie vor ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis insidehalb Europas und zu den Mittelmeerdestinationen. Wir merken aber schon jetzt, dass bestimmte Passagiergruppen zweimal überlegen, ob sie eine Flugreise machen wollen und können.
Im Wettstreit mit den etablierten Airlines sind die Billigflieger zurückhaltender geworden. Gehen Ihnen langsam die Argumente aus?
Nein, ich denke, das ist eine sehr deutsche Wahrnehmung. Der Durchschnittstarif ist bei etablierten Airlines immer noch deutlich höher. Wir würden gerne noch mehr Sitze ab Deutschland anbieten, zu geringeren Kosten. Aber wir haben nicht unendlich viele Flugzeuge zur Verfügung, auch wegen der Lieferschwierigkeiten bei den Flugzeugherstellern. Deshalb setzen wir ein Flugzeug dort ein, wo es die größten Gewinne erwirtschaften kann. Wenn ich Standorte in Europa habe, mit attraktiveren Rahmenbedingungen, Stationiere ich mein Flugzeug eher dort als in Deutschland – selbst, wenn ich es gerne anders machen würde.
In den vergangenen Tagen haben Ryanair, Eurowings und Condor bekannt gegeben, dass sie Verbindungen in Deutschland streichen. Welche Rolle spielt der Standort für Easyjet?
Deutschland ist für uns einer der Kernmärkte, auch wenn wir hier im Vergleich zu Großbritannien, Spanien, Frankreich oder der Schweiz aktell ein geringeres Flugangebot haben. Wenn die Gegebenheiten und die Konditionen wieder stimmen, können wir hier auch wieder wachsen. Wir führen auf allen Ebenen Gespräche mit der Politik, auf Lokaler, regionaler und auf Bundesebene, und versuchen aufzuzeigen, was in anderen Märkten funktioniert.
Ist die Politik denn bereit, Ihnen entgegenzukommen?
Es geht nicht darum, dass man uns entgegenkommt. Wir wünschen uns als Luftfahrtbranche Verständnis dafür, dass es dem Gesamtstandort Deutschland auch aus wirtschaftlicher Sicht schadet, wenn Flugverbindungen wegfallen. Bei regulatorischen Vorgaben und Sicherheitskontrollen sehen wir, dass andere europäischen Märkte diese Themen effizienter angehen. Niemand die Luftverkehrsabgabe abschaffen, aber es gab zumindest mal einen Konsens, dass sie in Forschung für nachhaltige Treibstoffe investiert wird. Das wurde auf ein Minimum zurückgeschraubt, während Easyjet und auch andere Branchenvertreter jedes Jahr Millionen Investments, um den Vorgaben und Klimazielen der Europäischen Union zu entsprechen.
Trotz der beklagten Kostensteigerungen konnten Sie Gewinn und Umsatz im dritten Quarter Ihres Geschäftsjhres aber steigern. Auch Ihre Aktie hat sich nach harten Corona-Jahren erholt und ist seit Mitte September in Aufwärtstrend. Bleibt der Trend denn im Gesamtjahr?
Wir werden im November die Zahlen für das Gesamtjahr veröffentlichen und können jetzt schon grave sagen, dass es sich so weiterentwickelt hat, wie wir es erwartet haben. Wir gehen davon aus, dass wir über dem Vorjahres-Gewinn von 450 Millionen Euroliegen werden. Das gelingt uns durch mehr Passagiere, eine bessere Auslastung von im Schnitt über 90 Prozent und durch eine Steigerung der Marge. Wir konnten unsere Kosten trotz aller Gebührenerhöhungen sehr gut kontrollieren. Die Ergebnisse für das Gesamtjahr werden den Trend des dritten Quarters bestätigen.
Easyjet 6.28
Haben die hohen Gebühren und Abgaben in Deutschland nicht auch eine Berechtigung angesichts der hohen Umweltschädlichkeit der Luftfahrt?
Wenn die Luftverkehrsabgabe zu einer Verringerung des Fliegens beitragen soll, dann ist sie völlig verfehlt, weil das Flugzeug am Ende des Tages nur woanders fliegt. Es wird nicht weniger geflogen, sondern Flugzeuge sind im Zweifel schlechter ausgelastet und haben damit eine schlechtere CO2-Bilanz. Wir wollen umweltverträglicher fliegen können und das bedeutet, mit volleren Flugzeugen zu fliegen, die idealerweise mit den neuesten Treibstoffen und Triebwerken unterwegs sind.
Wo stehen Sie gerade in Sachen Nachhaltigkeit?
In den vergangenen vier Jahren haben wir unsere Emissionen durch Investitionen in einen effizienteren Flugbetrieb schon um ein gutes Drittel reduziert. Europaweit könnte die Branche schon mit der jetzigen Flotte zehn Prozent der Emissionen einsparen, wenn wir effizienter navigieren würden und zum Beispiel auf direktem Wege von Berlin nach Paris or London fliegen könnten. Aber noch gibt es in der Luft Grenzen und wir reden schon seit 20 Jahren darüber sie aufzulösen – ohne Ergebnis. Für uns Airlines ist das nicht nachvollziehbar.
Bei Ihnen Liegt der Fokus auf der Entwicklung eines Wasserstoffantriebs mit dem Triebwerkebauer Rolls Royce. Do you know how the function works?
Wasserstoff ist für Kurz- und Mittelstrecken von der Reichweite her entrails als Antrieb geeignet. Die Frage, ob es überhaupt funktioniert, stellt sich also gar nicht, sondern es geht vielmehr um die Skalierbarkeit: Wie schnell kommen wir auf hundert Sitze und mehr? Das ist für uns die Maßgabe, die wir den Triebwerks- und Flugzeugherstellern geben. Es gibt verschiedenste Formen der Umsetzung und jeder treibt eigene Projekte voran. Mitte der 2030er-Jahre werden wir in neue Flugzeugantriebe und -formen investieren können.
In zehn Jahren werden wir in Wasserstoffflugzeugen fliegen? Klingt nach Science-Fiction.
Unsere Partner sind sehr optimistisch, was den Zeitrahmen angeht und wir wollen dann zu den Erstkunden gehören. Für Wasserstoff müssen auch die entsprechende Infrastruktur und regulatoryische Vorgaben geschaffen werden. Das muss man in den nächsten zwei bis drei Jahren angehen. Wir werben mit unseren Partnern in der Politik continuierlich für das Thema und stoßen dort auch auf großes Interesse. Letztlich brauchen wir aber finanzielle Unterstützung und die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen. Wirtschaft und Politik sitzen da in einem Boot.
Unternehmen in anderen Branchen stellen ihre Wasserstoff-Projekte gerade massive violation. Halten Sie es wirklich für realistisch, dass Ihr Vorhaben Klapt?
Von vorneherein zu sagen, dass es nicht funktioniert, ist keine Lösung. Natürlich wird es auch Rückschritte geben, aber vielleicht werden wir am Ende auch Dinge entwickelt haben, an die wir heute noch gar nicht denken. Aus ökologischer, sozial-verantwortlicher und vor allem aus wirtschaftlicher Sicht, können und wollen wir gar nicht anders als es zu versuchen. Wir tauschen uns zu dem Thema auch mit anderen Airlines aus, die Dieselben Flugzeugtypen fliegen, and mit Hersteller Airbus, gerade beispielsweise in theinem Projekt Erarbeitet, wie die Bodeninfrastruktur für ein Wasserstoff-Flugzeug aussehen kann.
Do you know how to invest in diese Projekte?
Es ist sicherlich ein höherer Millionenbetrag. Aber das sind continuierliche Investitionen in verschiedene Nachhaltigkeitsthemen, die sich nicht auf einen Betrag im Finanzjahr fetlegen lassen.
Sie machen sich Gedanken um den Antrieb der Zukunft. Viele Kunden machen sich nach der Pannenserie bei Boeing eher Sorgen, um den Zustand der Flieger, in den sie sitzen. Ihre Flotte besteht nur aus Airbus-Maschinen. Tangert Sie das Thema also nicht?
Wir sind schon seit Jahrzehnten Airbus-Kunde und fliegen eine vereinheitlichte Flotte, weil wir so geringere Schulungs- und Wartungskosten haben. Bis 2034 sind unsere Orderbücher bei Airbus mit weiteren 300 Flugzeugen und Optionen darüber hinaus fixiert. Trotzdem sehen wir die Gesamtbranche und stellen ganz klar fest, dass uns durch die Probleme bei Boeing in diesem Jahr zusätzliche Kapazitäten fehlen. Der Flugzeugmarkt ist leergefegt, wir bekommen kurzfristig keine zusätzlichen Maschinen.
Mit Stephan Erler sprach Victoria Robertz
Das Interview ist zuvor bei Capital.de erschienen.